Hilfe, Ehekrise! Was nun?

Hilfe, Ehekrise! Was nun?

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Streit, Vorwürfe, Tränen: Seit ihr Kind auf der Welt ist, steckt die Ehe von BRIGITTE-Autorin Maja Schwaab in der Krise. Was nun? Sie entscheidet sich mit ihrem Mann für eine Paartherapie.

Im Sommer fiel der Satz zum ersten Mal, frustriert ausgestoßen von meinem Mann: "Vielleicht brauchen wir einen Therapeuten, ich weiß nicht mehr weiter." Immer wieder gerieten wir an den gleichen Punkt: Er beschwerte sich über etwas, ich fing an, mich zu verteidigen, er sagte: "Jetzt hör doch einfach mal zu", und ich sagte: "Aber es ist unfair, was du mir vorwirfst!" Ein Jahr zuvor waren wir Eltern geworden. Ich verwandelte mich daraufhin in einen übernächtigten Zombie, der ein von Koliken geplagtes Baby durch die Wohnung trug.

Daniel verwandelte sich in Papa Sorgenvoll: Das Kind ist zu kalt angezogen (fand ich nicht), schau mal, diese roten Flecken dort, das wird immer schlimmer (ich konnte die Flecken kaum erkennen), es kann nicht richtig atmen, hörst du das denn nicht (ich hörte nichts). Weil ich meine Meinung nicht für mich behalten konnte, stritten wir mehr als je zuvor. Als Mattis acht Monate alt war, befand Daniel, ich solle ihm keinen Joghurt mehr geben, das Bauchweh komme daher. Dann wies er mich an, das Apfelmus wegzulassen, unser Sohn habe doch eh schon Verstopfung. Dass Joghurt gut für die Verdauung ist, dass Apfelmus auch laut unserer Kinderärztin gegen Verstopfung hilft, das wollte er alles nicht hören. Vielleicht auch deshalb, weil ich vehement gegen seine Meinung anging - und es am Ende oft einfach so machte, wie ich es für richtig hielt. "Du hast immer recht, ich kann ja sagen, was ich will", resignierte er irgendwann. "Ich habe das Gefühl, ich habe gar keinen Platz mehr hier."

Überall witterte Daniel Gefahren: Mit Holzlöffeln aus der Küche sollte unser Sohn nicht spielen, er könne sich damit ins Auge hauen. Töpfe hätten zu scharfe Kanten. Eine weiche, biegsame Zahnpastatube, auf der unser Kleiner herumkaute, könnte seinen Gaumen verletzen. Als Mattis später an meiner Hand seine ersten Erkundungen unternahm, da sollte ich Daniel zufolge stets nach unten gebückt gehen - sonst wäre der Arm des Kleinen so nach oben gereckt und er würde leichter fallen. Ja, er stolperte und fiel, ab und zu jedenfalls. Jedes mal kommentierte mein Mann sofort scharf: "Hab ich dir doch gesagt!" Es war zum aus-der-Haut-fahren. Denn natürlich konnte ich nicht den Großteil meines Tages in gebückter Haltung verbringen. In nullkommanichts artete ein umgestoßenes Wasserglass zum Riesenkrach aus, der Tonfall nahm täglich an Schärfe zu. "Jetzt kümmere dich doch auch mal!" (Ich) "Kaum bin ich zur Tür hereingekommen, muss ich das Kind übernehmen!" (Er). "Meine Güte, kannst du das nicht mal allein hinkriegen? Ich muss es schließlich auch immer allein schaffen!" (Ich) "Dauernd bist du am Computer, kannst du mir vielleicht mal helfen?" (Er) Seit fast einem Jahr sind wir am Streiten, und ich habe Angst. Angst, dass all das unsere Liebe vergiftet, dass wir irgendwann eines dieser dauerkeifenden Ehepaare sein werden. Deshalb habe ich Peter angerufen, einen Psychotherapeuten, der mir empfohlen wurde. Billig wird die Rettung unserer Ehe sicher nicht: 120 Euro kostet die Stunde. Erzählt habe ich von unserem Vorhaben nur meinen zwei engsten Freundinnen. Sie haben mir gratuliert.

In der ersten Sitzung will Peter uns kennenlernen, wir erzählen ihm unsere Geschichte. Dann folgen Einzel-Sessions, damit er versteht, woher wir kommen. Mir ist klar, dass unsere Herkunft eine große Rolle spielt: Daniel ist in Südeuropa aufgewachsen, ich bin in Norddeutschland großgeworden. Während er fast pausenlos mit Mattis spricht und ihn quasi "bespielt", bin ich der Meinung, man müsse ihn auch mal in Ruhe vor sich hinwurschteln lassen. Während ich Selbstständigkeit hochhalte, zählt für Daniel Gemeinsinn. Wenn ich also in der Küche Kartoffeln schäle, während Mattis von Daniel gefüttert wird, dann wirft er mir vor, ich würde die beiden "ignorieren".

Dass ein Kind neue Fragen aufwerfen würde, hatte ich geahnt. Aber dass ich ständig innerlich vor mich herschimpfen, dass ich in Dauerschleife den Kopf schütteln, dass ich so oft heulend auf dem Sofa sitzen würde - das hätte ich nicht gedacht. Natürlich kommt hinzu, dass ich seit fast eineinhalb Jahren nicht mehr durchgeschlafen habe. Dass wir in eine neue Stadt gezogen sind und bisher kaum Freunde gefunden haben. Wir hängen jeden Abend aufeinander, haben kaum Ausgleich. Das schlimmste aber ist, dass unser Wohlwollen verloren gegangen ist: Die grundlegende Annahme, dass der andere es schon gut meinen wird, die Bereitschaft, auch mal über Kleinigkeiten hinwegzusehen.

All das erzähle ich Peter in unseren ersten Sitzungen - und kann kaum glauben, dass ich wahrhaftig bei einem Therapeuten auf der Couch sitze. Ehetherapie, das klang für mich immer nach Scheitern. Jetzt klingt es nach Hoffnung.

In sieben Folgen erzählt BRIGITTE-Autorin Maja Schwaab von ihrer Paartherapie. Lesen Sie nächste Woche: "Was ist schon normal?"

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