Liebe braucht Zeit - Sex auch

Liebe braucht Zeit - Sex auch

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In unserem durchorganisiertem Leben bleibt wenig Platz - dabei braucht die Liebe Zeit. Und der Sex auch, weiß Paartherapeut Oskar Holzberg.

Foto: CharlotteS/photocase.de

Das Ehepaar beklagt, was Ehepaare häufig beklagen. Ihr Sex sei so häufig wie ein Sechser im Lotto. Wenn sie Sex haben, lieben sie es beide. Sie verstehen sich, sie haben Lust aufeinander. Was also ist das Problem?

Sie sind beide beruflich häufig auf Reisen. Und seit zwei Jahren arbeitet Herr R. in einem anderen Teil der Republik. Zu Hause ist er nur am Wochenende. Und das ist voll durchgeplant: Dann wird eingekauft, das Haus aufgeräumt, werden Freunde getroffen und Fitnesskurse besucht. Das Problem ist Zeit. Für Sex ist schlicht keine Zeit mehr übrig. Auf ihre Erotik scheint der bekannte Satz von Ödön von Horvath zuzutreffen: "Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu."

Eine Beziehung hat es schwer bei unserem beschleunigten Lebensstil

Die Sexualität bleibt auf Dauer nur bei Paaren lebendig, die Sex wichtig nehmen und ganz oben auf ihre Prioritätenliste setzen. Und das morgendliche Joggen auch mal zugunsten der Sexualität zurückstellen. Liebe braucht Zeit. Nicht nur die erotische. Eine Liebesbeziehung hat es schwer bei unserem beschleunigten, zeitoptimierten Lebensstil mit übervollen Terminkalendern, Zeitmanagement, Effizienzstreben und 60-Stunden-Wochen. Auch aus Zeitgründen findet schon die Partnersuche immer häufiger online statt. Und gesellen sich dann noch die zeitintensivsten Wesen des Planeten dazu, nämlich Kinder, ist die Paarzeit ein stark vom Aussterben bedrohter Zustand.

Zeit ist die leicht übersehene Grundlage jeder guten Beziehung. Denn Nähe lässt sich schwer planen. Wir brauchen Zeit miteinander, um uns aufeinander einzustimmen, um die emotionale Verbindung zu erhalten und in Gesprächen zu vertiefen. Wir brauchen die kleinen Fluchten. Das gemeinsame Wochenende, an dem das Smartphone stumm bleibt. Aber genauso die Zeit am Küchentisch, in der wir teilen, was wir am Tag erlebt haben. Natürlich ist es effektiver, nicht gemeinsam zu kochen und abwechselnd zum Elternabend zu gehen. Aber auch der gemeinsam geschobene Einkaufswagen festigt unser Gefühl, nicht allein durchs Leben zu gehen.

Foto: Ilona Habben

Zeit für den Partner zu haben ist aber nicht nur wichtig, um gemeinsam die Welt zu erleben und einander zu erleben. Zeit für den anderen zu haben bedeutet auch: "Du bist mir wichtig." Selbstverständlich begreifen wir, dass unser Liebster gerade in der Firma besonders gefordert ist. Aber unsere Gefühlswelt erreicht das nicht. Wir fühlen uns trotzdem alleingelassen und nicht begehrt.

Eltern geben sich alle Mühe, mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, weil sie wissen, dass die Kleinen sich sonst ungeliebt fühlen. Dass es der erwachsene Liebespartner genauso erlebt, lassen wir oft nicht an uns heran. Zeitmangel verletzt immer wieder den Wunsch, das Wichtigste im Leben des anderen zu sein. Und in Krisenzeiten kann die fehlende Zeit füreinander zum Beziehungskiller werden. Wir werten seine Abwesenheit jetzt als Desinteresse. Als Beweis, dass wir ihm nicht mehr genug bedeuten. Dass ihm alles andere wichtiger ist als wir. Wenn wir jetzt erst recht in die Arbeit fliehen, um den Klagen des Partners zu entkommen, entsteht ein Teufelskreis. An dem eine Beziehung zerbrechen kann. Wir brauchen Zeit für die Liebe, denn Liebe braucht Zeit.

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