Warum "gut genug" auch für die Beziehung gilt

Warum "gut genug" auch für die Beziehung gilt

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Wer eine perfekte Beziehung führen möchte, wird scheitern. Gute Partner zu sein, bedeutet auch Fehler zu machen.

Das Paar scheint eine gute Zeit miteinander zu haben. Die beiden kichern die ganze Zeit. Das verwirrt mich. Denn sie besprechen einen Streit, den sie hatten. Nehmen sie gar nicht ernst, was sie miteinander austragen? Vor allem aber verwirrt mich, dass ich gerade ein "Meisterpaar" beobachten soll. Und mir diese beiden alles andere als meisterlich vorkommen, eher etwas albern. Ich sehe mir gerade ein Video an, das der amerikanische Paarforscher John Gottman veröffentlicht hat. Ein Video über Paare, die sich in Untersuchungen als besonders stabil und zufrieden erwiesen haben. Also schaue ich noch mal genauer hin. Und allmählich wird es mir klar. Dieses Paar ist wirklich meisterhaft darin, jede misslungene Interaktion sofort wiedergutzumachen. Sie sind Künstler in der Paarkunst des Reparierens.

Eine langjährige Liebesbeziehung ist ein zwischenmenschlicher Hindernisparcours, der so schwierig ist, dass viele Paare irgendwann aussteigen. Das wissen wir. Also geben wir unser Bestes, um unsere Beziehungen gut und richtig zu führen. Wir suchen Erkenntnisse, Tricks und Regeln. Wie vielleicht in diesem Text hier, den Sie gerade lesen. Wir wissen und verstehen mittlerweile tatsächlich viel von Liebe, Kommunikation und Bindungen. Das fördert in uns die Idee, dass es möglich ist, eine Beziehung richtig zu führen. Und wir nur unfähig sind. Also geben wir uns noch mehr Mühe, es gut zu machen. Aber das ist nicht die Lösung. Das ist das Problem.

Wer versucht, seine Beziehung richtig zu führen, macht alles falsch

Foto: Ilona Habben

Der Begründer der Bindungsforschung, der britische Psychiater John Bowlby, hat den wunderbaren Satz geprägt, dass es keine gute Mutter gibt, sondern nur Mütter, die gut genug sind. Das gilt auch für Partner. Wir können kein guter Partner sein. Wir können auch keine gute Partnerschaft führen. Wenn wir versuchen, es in der Liebe richtig zu machen, sind wir zum Scheitern verurteilt. Weil wir unsere Kraft falsch einsetzen. Und die stabile Partnerschaft nicht entwickeln. Wir lernen nicht, wiedergutzumachen. Wir können nicht immer verbunden sein, aber immer wieder zueinanderfinden.

Zufriedene Paare strengen sich nicht an, alles richtig zu machen. Aber sie achten auf die Beziehung. Und greifen die kleinen Signale des Partners schnell auf, die anzeigen, dass er sich missverstanden oder angegriffen fühlt. Sie beruhigen ihn, sie klären. Wie das Meisterpaar, das augenblicklich mit einem sanften Scherz, einem Lächeln reagiert, wenn sich die Miene des anderen zu verfinstern droht. Paare, die verstanden haben, dass es darum geht, wiedergutzumachen, reagieren auch anders in Konflikten. Sie haken einen Streit nicht ab oder suchen mit aller Kraft nach der Lösung, wie dieser Streitpunkt in Zukunft zu vermeiden ist. Stattdessen bleiben sie in der Gegenwart, im bestehenden Konflikt. Und versuchen, ihn aufzulösen, indem sie das Erleben des anderen nachvollziehen.

Wer versucht, seine Beziehung richtig zu führen, macht alles falsch. Wer bereit ist zu akzeptieren, dass etwas schiefgehen kann, schiefgehen wird, ist schon einen Schritt weiter. Wer dann noch miteinander lernt, auf das Beziehungsgefühl zu achten und die kleinen und großen Brüche zu reparieren, der macht zumindest schon einiges richtig.

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