Zu zweit? Von wegen. In einer Beziehung sind die Eltern immer anwesend

Zu zweit? Von wegen. In einer Beziehung sind die Eltern immer anwesend

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BRIGITTE-Autorin Maja Schwaab macht eine Paartherapie und weiß: Die Probleme der Eltern sitzen mit auf der Couch.

Foto: Getty Images/Photononstop RM

Eine Freundin sagte mir, meine Texte über die Paartherapie klängen so unterhaltsam, als wenn eine Ehekrise eine absurde Episode wäre, über die man abends lacht. Sie sagte: "Die Leute müssen auch wissen, was das mit deinem Seelenheil gemacht hat!" Stimmt: Ich habe wirklich oft geweint, gewütet, mich beschwert, war verletzt, hatte Angst, dass unsere Liebe zerbricht. Vermutlich werde ich das noch öfter erleben - denn ich habe einen Mann geheiratet, der laut der Analyse unseres Therapeuten Peter erstens ziemlich dominant und zweitens genau so fest von seinen Ansichten überzeugt ist wie ich. Vermutlich werden sich einige Konfliktpunkte also nie in Luft auflösen. Das macht mir Angst.

Dann habe ich Kommentare unter meinen Texten gelesen, in denen stand: "Was für ein unsympathischer Mann!" Stimmt ebenfalls. Auch ich fand im vergangenen Jahr den Mann, den ich mal voller Überzeugung und im Wissen um seine Schwächen, Ecken und Kanten geheiratet habe, zunehmend unsympathisch. Warum verhielt der sich so doof? Wo war der nette, unterhaltsame, großzügige Daniel geblieben? Dann begannen wir die Therapie, und ich begriff: Daniel verhielt sich nicht einfach so - er reagierte. Und zwar auf mich, auf die Umstände, auf den Stress. Seitdem gebe ich mir Mühe, weniger fordernd zu sein, ihn weniger zu drängen. Ich bin netter und gebe ihm damit die Chance, ebenfalls netter zu sein - eine positive Spirale.

Manchmal aber kann auch das Stress auslösen, was ich nicht sage. Wenn ich mich etwa wortlos zum Lesen zurückziehe, während Daniel und Mattis zusammen Duplo-Türme bauen. In Daniels Familie gilt es, Vorhaben anzukündigen: "Ich gehe mal nach nebenan, macht es dir etwas aus?" Als wir in einer unserer Sitzungen darüber sprachen, bestätigte Peter diese Angewohnheit - er ist mit einer Italienerin verheiratet. Es war wieder einmal ein Aha-Effekt: Daniel findet es egoistisch, wenn ich einfach verschwinde - nicht, weil er doof ist, sondern weil solches Verhalten in seiner Kultur als einzelgängerisch und abweisend gilt. Er fragt sich, warum ich vor der Familienzeit zu dritt flüchte. Ob er und Mattis mir etwa zu viel seien?

Wir sind, wie wir sind, weil wir aus Familien kommen, die unterschiedlich ticken. Deshalb sitzen Mama, Papa und Geschwister bei uns immer mit auf der Couch. Daniel ist ein so akkurat-ordentlicher Mensch, weil seine Mutter die Akuratesse von ihrem Job als OP-Krankenschwester auf das Zuhause übertragen hat. Ich bin so laissez-faire, weil meine Eltern noch viel laissez-fairer sind. Daniel findet, meine Familie sei kühl, weil wir am Esstisch eher untereinander sprechen als mit Mattis (während er mit seinem Sohn quasi in einem Dauer-Dialog steht). Weil sie nicht verzückt jeden Baustein kommentieren, den Mattis auf einen anderen stellt. Daniel sagt, sie würden nicht genug auf die Sicherheit unseres Sohnes achten. Ich dagegen bin der Meinung, seine Familie übertreibe es mit all dem ganz schön.

Peter riet uns, einen dritten Weg zu finden: nicht Daniels Familienkultur solle dominieren und auch nicht meine. "Wie wäre es mit einem Buch, in dem ihr Leitlinien entdeckt, die euch beiden zusagen?" Es war einer dieser Ratschläge, die so unfassbar logisch und einfach klingen: einfach einen dritten Weg finden. Ich fing also an, Jesper Juul zu lesen. War mir zu philosophisch und theoretisch. Dann griff ich, eigentlich nur zu Unterhaltungszwecken, zu "Warum französische Kinder keine Nervensägen sind". Und fand darin unheimlich viele Anregungen, von denen ich ahnte: Auch Daniel würden sie gefallen. Denn auch er wollte ja, dass Mattis sich zu benehmen weiß und Grenzen einhält. Nur: Sein ständiges Nachgeben bei jedem kleinen Weinen war der falsche Weg. Vor kurzem hat Daniel das Buch endlich gelesen. Und was soll ich sagen: Es hat "Klick" gemacht bei ihm. Endlich hat er eingesehen, dass es eben nicht "völlig normal" ist, wenn ein eineinhalbjähriges Kind sechs, sieben Mal in der Nacht aufwacht. Dass es diesem Kind gut tut, auch mal allein vor sich hin zu spielen. Und dass man kleine Freiheiten gewähren sollte, wenn die Grenzen gut definiert sind.

Wir haben über all das gesprochen und festgestellt, wie vieles wir ähnlich sehen. Endlich wieder Gemeinsamkeiten! Wir haben auch ein paar Pläne gemacht - etwa, dass Daniel von nun an Mattis ins Bett bringt, weil der dann besser durchschläft (warum auch immer). Wir haben uns einem „dritten Weg" damit ein Stück angenähert. Zwar ist es nie einfach, wenn man unterschiedliche Stile mal eben so hinter sich lassen will. Aber ein erster Schritt ist gemacht.

In sieben Folgen erzählt BRIGITTE-Autorin Maja Schwaab von ihrer Paartherapie. Im nächsten Teil: Warum Konflikte okay sind - wenn sie nicht eskalieren.

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