Ildikó von Kürthy über Traumprinzen

Ildikó von Kürthy über Traumprinzen

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In jedem leichten Frauenroman sucht die Protagonistin einen Traumprinz. Die Hamburger Bestseller-Autorin und BRIGITTE-Kolumnistin Ildikó von Kürthy hat einige davon erfunden.

Foto: Moncayo/Shutterstock

Meine Traummänner. Sie haben keine Gesichter und keine Haarfarbe. Sie sind weder groß noch klein, weder dick noch dünn. Sie haben keine markanten Nasen, sie ziehen kein Bein nach, und sie haben Namen, die man sich nicht merken kann und nicht merken muss. Sie heißen Daniel, Andreas, Frank, Marcus, Philipp, Ben, Martin und Oliver. Es sind die acht wichtigsten Männer meines Lebens - und ich habe sie tatsächlich alle vergessen. Die Märchenprinzen aus meinen Romanen sind von mir selbst liebevoll komponierter Durchschnitt. So gewöhnlich, so normal, so unauffällig, so mittelmäßig im allerbesten Sinne, dass ich ihre Namen nachschlagen musste in den acht Romanen, die ich geschrieben habe und die jetzt neben mir auf dem Tisch liegen. Ein kleiner Stapel. Mein Schicksal.

Zwischen meinem ersten Roman "Mondscheintarif" und dem letzten, "Sternschanze", liegen 15 Jahre. In dieser Zeit habe ich geheiratet, Kinder bekommen, einmal mehr den Tod meiner Eltern betrauert, ich habe gefeiert, gelacht, gearbeitet, Krisen verursacht, Katastrophen überlebt, Träume begraben und es schweren Herzens akzeptiert, dass meine Frisur und mein Leben niemals exakt meinen Vorstellungen entsprechen werden. Eine resignative Reife hat sich eingestellt, die ich willkommen heiße, weil es schön ist zu sehen, dass die Zeit nicht nur vergeht, sondern auch Spuren hinterlässt und mich verändert. Mich und meine Bücher.

Ich bemerke es an den letzten Kapiteln meiner Romane, daran, was ich für ein "Happy End" halte. Früher bekamen meine Heldinnen ihre Helden. Kuss und Schluss. Wie im Märchen. Dann gab es eine bewegte Phase, in der das große Glück aus großer Freiheit bestand und das Happy End darin, sich gegen den langweiligen Mann und für das Risiko zu entscheiden. Auch in meinen Büchern musste der Märchenprinz sterben.

Im letzten Roman ist er wieder auferstanden. Ziemlich ramponiert zwar und hier und da etwas angeschlagen vom Leben, stand er plötzlich wieder da, in all seiner prachtvollen Mittelmäßigkeit, leicht zu übersehen, so komplett normal wie nur irgend möglich.

Warum bleiben die Traummänner in meinen Büchern gewollt so einfarbig und konturlos? Weil Platz bleiben soll - zum Träumen! Und weil meinen Roman-Männern nicht dasselbe angetan werden soll wie den Männern im wahren Leben: Da werden sie von gestrengen Frauen mit Ansprüchen und konkreten Vorstellungen überfordert. Sie werden aussortiert, weil sie Pullunder tragen oder den falschen Musikgeschmack haben. Frauen auf Partnersuche sind gnadenlos.

Unnormale Erwartungen treffen auf normale Menschen. Das führt zu unschönen Unfällen, nicht selten mit Personenschaden. Ein beliebtes Argument ewiger Singles lautet: "Ich bin einfach so anspruchsvoll." Ach ja? Dann wird es Zeit, die Ansprüche zu überprüfen und der Wirklichkeit anzupassen. Verdammter Traummann! Ja, wo versteckst du dich denn bloß? Nur in eurer Fantasie! Und sicher nicht in meinen Büchern. Nicht mehr.

Rosemarie Goldhausen, die Protagonistin in meinem 2008 erschienenen Roman "Schwerelos", sagt: "Ich habe es immer als anmaßend empfunden, vom Märchenprinzen zu träumen, wenn man selbst nicht mal andeutungsweise an eine Märchenprinzessin erinnert. Das kann ja nur schiefgehen. Dann gehörst du irgendwann zu den Frauen, die mit deutlichen Zeichen von Abscheu ihren Mann betrachten, weil er weder annähernd so gut aussieht wie der junge Paul Newman noch annähernd so reich ist wie der alte Aristoteles Onassis. Und du bekommst diese fiesen, ziegigen 'Ich hab den falschen Ehemann'-Falten um den verkniffenen Mund und wirfst deinem armen, redlichen Durchschnitts-Gatten sein Leben lang vor, dass er nicht deine unverschämten und unerfüllbaren Sehnsüchte stillt. Die wenigsten Frauen haben den falschen Mann. Die meisten haben die falschen Träume."

Sehnen wir uns immer noch nach dem Märchenprinzen? Vielleicht. Manchmal. Wenn viel Alkohol im Spiel ist. Aber wir glauben nicht mehr an ihn. Und das ist keine Tragödie. Man kann sich ja auch einen Porsche wünschen und trotzdem gern Polo fahren. Der von mir sehr geschätzte Psychotherapeut und Autor Arnold Retzer sagt: "Sich einen dauerhaften Partner auszusuchen heißt, sich ein paar dauerhafte Probleme auszusuchen."

Happy End und Märchenprinz? Alles Quatsch. Das Leben geht schließlich weiter nach dem Happy End, und auch Prinzen haben Haarausfall und Schattenseiten. Wahre Romantik für zumindest zeitweise erwachsene Menschen klingt bei mir heute so: "Ich will die Scheidung nicht." Das sagt Nicola Lubitz, die Heldin meines letzten Romans, im letzten Kapitel. Sie will ihren Mann, der kein Traummann ist, behalten. Wie er heißt? Keine Ahnung.

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