Will ich ein Kind - oder lieber nicht?

Will ich ein Kind - oder lieber nicht?

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In der Liebe stimmt alles. Fehlt nur noch ein Kind zum Glück. Oder nicht? Gedanken, um die Gefühle zu sortieren.

Foto: Image Ideas/Getty Images

1. Ist es egoistisch, als Paar einfach kein Kind zu wollen?

"Denen geht es doch nur um Selbstverwirklichung " - das bekommen kinderlose Paare tatsächlich oft zu hören, besonders wenn sie tolle Jobs haben und ihre Freiheiten genießen. Da hat sich ein unnötiger Graben zwischen Eltern und Kinderlosen gebildet. Denn: Keiner bekommt Kinder, um das Rentensystem zu stützen, auch Eltern haben egoistische Motive.

2. Genau. Aber immer noch werden Kinder allzu häufig als Krönung der Liebe stilisiert, oder?

Im Gegenteil. Ein Kind als Quelle des Beziehungsglücks rückt immer mehr in den Hintergrund. Es hat ein Wertewandel stattgefunden. Das Leben mit Kindern ist nur noch einer von vielen Lebensentwürfen. Eine erfüllte Partnerschaft steht bei den meisten deutlich höher im Kurs.

3. Trotzdem muss man sich ab einem bestimmten Alter rechtfertigen, wenn man einen Partner, aber kein Kind hat...

Leider ja. Die traditionellen Muster sind sehr mächtig. Denn: Familie gilt immer noch als Ideal, und zwar mit exakt zwei Kindern; das wird von der Gesellschaft gestützt. Paare, die kein Kind wollen, werden da oft unbewusst als unbequeme Rebellen wahrgenommen. Und: "Gerade Mütter vertreten ihren Lebensentwurf oft militant und machen Kinderlosen mächtig Druck", sagt Psychologieprofessorin und Familientherapeutin Heike Stammer. Grundsätzlich gilt: Warum ein Paar keine Kinder hat, geht niemanden etwas an. Stammer rät, sich gut zu überlegen, mit wem man überhaupt darüber sprechen will, und dann offensiv die eigene Lebensform zu vertreten. Man kann auch tatsächlich lernen, das sportlich zu nehmen.

4. Und was ist mit dem Argument: Erst Kinder geben dem Leben einen Sinn?

Es hat seinen Grund, dass dieses Gefühl oft stark ist. Denn es gehört zu unseren Entwicklungsaufgaben, etwas an die Nachwelt weiterzugeben. Spätestens um die 40 wird das für jeden Menschen ein Thema. Eltern sind scheinbar fein raus, denn Kinder sind da eine ziemlich sichere Bank. Kinderlose suchen häufig einfach länger nach einem Sinn, bis sie erkennen, dass es ihnen zum Beispiel gefällt, jüngere Mitarbeiter zu fördern. Oder das eigene Wissen weiterzugeben. Oder Geld zu spenden. Die Antworten auf die Frage, was der Nachwelt hinterlassen werden soll, fallen dann individueller aus.

5. Wodurch definiert sich denn eine kinderlose Partnerschaft gegenüber einer mit Kindern?

Gewollt Kinderlose sind tatsächlich stärker auf Unabhängigkeit und Freiheit bedacht - das haben Wissenschaftler der Uni Freiburg herausgefunden. Trotzdem hat die Zweisamkeit für Paare ohne Kinder oft einen besonders hohen Stellenwert, beide Partner fordern viel Aufmerksamkeit und gegenseitiges Vertrauen, leisten viel "Partnerschaftsarbeit". Auch äußerlich unterscheiden sich kinderlose Paare von Eltern. Viele leben in getrennten Städten oder in getrennten Wohnungen, oft sind beide beruflich sehr engagiert.

6. Aber ist es auf Dauer nicht schwierig, sich als Paar selbst genug zu sein?

Jedes Paar braucht etwas, das beiden wichtig ist. Ein Kind ist da nur eine Option - und oft nicht mal die beste. "Paare trennen sich eher wegen Kindern als wegen Kinderlosigkeit", erklärt Psychotherapeutin Stammer. Denn Eltern verlassen sich zu sehr darauf, dass der Nachwuchs sie verbindet. Kinderlose dagegen entwickeln viel bewusster gemeinsame Perspektiven, pflegen gemeinsame Interessen. Das kann das berühmte Hobby sein, politisches Engagement, eine Leidenschaft für Reisen, Interesse für Kunst oder einfach nur ein großer gemeinsamer Freundeskreis.

7. Das klingt objektiv nach dem spannenderen Lebensentwurf...

Auch mit Kindern gibt es andere Themen als Windeln, Brei oder Plastikbagger. Sicher: Anfangs nimmt ein Baby seine Eltern und besonders die Mutter komplett in Beschlag, und das ist auch gut so. Trotzdem. "Spätestens nach dem Abstillen sollte man auch wieder seine eigenen Interessen verfolgen", sagt Psychologin Stammer. Kein Kind braucht Eltern, die sich komplett selbst aufgeben. Im Gegenteil: Damit das Kind selbstständig wird, sollten sich auch die Eltern frühzeitig abnabeln.

8. Gibt es "typische" Familientypen?

Nein, aber viele Menschen, die denken, sie seien keiner, haben vielleicht auch einfach Angst, von der Elternrolle überfordert zu sein. Diese Angst ist bei Kinderlosen weit verbreitet. Zum Druck trägt bei, dass Kinder heute eine hochkomplexe Aufgabe sind. Sie in die Welt zu bringen, genügt nicht. Frühförderung, Beschallung mit Klassik schon im Mutterleib, das alles erwarten Eltern von sich. "Denn wenn die Kinder nicht gelingen", sagt Psychologin Stammer, "sind die Eltern schuld." Einige kinderlose Frauen haben zudem ein besonders anspruchsvolles Mutterbild. Und weil sie keine halben Sachen machen wollen, entscheiden sie sich ganz gegen Kinder. Völlig okay, solange nicht nur übertriebener Perfektionismus der Grund ist.

9. Inwiefern prägt eigentlich die Familie, in der man aufgewachsen ist, den eigenen Kinderwunsch?

Sehr stark, besonders wenn es in der Kindheit negative Erlebnisse gab. Daraus kann die Angst resultieren, schlechte Erfahrungen weiterzugeben. Das gilt vor allem für Männer. Für Frauen ist zudem ausschlaggebend, ob sie ihre Mutter als glücklich erlebten oder von ihr die Botschaft mitbekamen: "Mach es bloß anders als ich, führe ein selbstbestimmtes Leben." Auch wer eine überbehütende Mutter hatte, fürchtet eher Einschränkungen durch Kinder. Geschwister dagegen wirken sich positiv auf den Kinderwunsch aus. Gab es Probleme im Elternhaus, musste man da wenigstens nicht allein durch, so bleibt ein besseres Bild von der Kindheit.

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