Zum Streit gehören - nicht - immer zwei

Zum Streit gehören - nicht - immer zwei

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Paartherapeut Oskar Holzberg weiß, warum Konflikte in Beziehungen eskalieren. Und zum Streit gehören nicht immer zwei.

"Zu uns haben Sie auch einen Satz der Liebe gesagt", sagt meine Patientin.- "Echt?" - "It takes two to tango, aber ... "Jetzt erinnere ich mich. "Und das war wirklich wichtig!", fügt sie hinzu. Es war eine der verfahrenen Situationen im Therapieraum. Sie war enttäuscht von ihrem Mann, weil er sämtliche Versprechungen, die er gemacht hatte, nicht eingehalten hatte. Er verteidigte sich damit, dass er ja dieses und jenes versucht habe. Aber er saß auf der Anklagebank, und er fühlte es. Und setzte auf die Tango-Karte: "Aber was ist denn dein Anteil an der ganzen Geschichte? Es liegt ja nie alles allein an einem. Was ist eigentlich mit dir? Ich möchte jetzt, dass wir auch mal drüber sprechen", sagte er aufgebracht. Und Frau C. begann sofort darüber nachzudenken, was sie denn hätte noch besser machen können. Wobei sie verständlicherweise sehr unglücklich aussah. Denn ihr Anliegen blieb ja jetzt auf der Strecke.

In diesem Moment wandte ich mich zu Herrn C. und sagte: "It takes two to tango, aber manchmal liegt es auch an einem allein, dass ein Paar aus dem Takt kommt." Gegen "It takes two to tango" kann man nichts sagen. Es stimmt einfach. Allein können wir nicht Tango tanzen. Solange beide mitmachen, geht der Tanz weiter. Und es beschreibt die Wechselwirkung, die jede Beziehung bestimmt. Wir drehen uns in kreisförmigen Kommunikations-Schlaufen. Einer greift an, der andere zieht sich zurück. Und bald greift der eine nur noch an, weil sich der andere immer mehr zurückzieht, und der andere zieht sich immer mehr zurück, weil der andere ihn immer heftiger angreift.

Welchen Anteil hat jeder

Foto: Ilona Habben

Ein Teufelskreis. In dem beide Partner das Gefühl haben, dass sie nur noch reagieren. "Ich wehre mich ja nur, weil du mich immer angreifst!" Um solchen Kreisläufen herauszukommen, macht es absolut Sinn zu schauen, welchen Anteil jeder daran hat. Und zu verstehen, was man selbst tun kann, um aus dem Tanz auszusteigen. Das ist so einsichig, dass es mittlerweile jeder kennt und versteht. Und deshalb wird diese Einsicht auch schon wieder derartig genutzt, dass sie sich in ihr Gegenteil verkehrt.

Der Psychologe und Kommnikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun hat unlängst gesagt: "Es gibt schlicht und einfach schwierige, gestörte Menschen, die einem Team schwer zusetzen können. Es gibt den Armleuchter und den echten Schuft und denjenigen, der eine zerstörerische Kraft entfaltet." Im Team "Liebesbeziehung" ist es niemals leicht zu unterscheiden, ob nur einer der Partner persönlich schwer belastet ist und deshalb festhängt oder ob das Paar miteinander verstrickt ist. Weil immer beides stimmt.

Sobald aber ein Partner, obwohl sein eigener Anteil noch gar nicht geklärt ist, schon darauf besteht, dass ja immer zwei zu jedem Problem gehören, lenkt er von sich ab. Er missbraucht das mitlerweile zum Allgemeingut gewordnene Tango-Argument, um sich zu verteidigen, blockiert die Klärung und ist jetzt genau derjenige, an dem allein es liegt, dass ein Paar aus dem Takt kommt. Es liegt nicht immer alles an beiden.

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