Diamonds are a brides best friend? - Verrückt nach Hochzeit

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Was Bräute über ihre besten Freunde wissen sollten und wie sich das mit ihrem Gewissen vereinbaren lässt

Der Chef de Bling sitzt in einem kleinen Büro im ersten Stock eines dreistöckigen Bauhaus-Bau aus den 40er- Jahren. Schreibtische säumen die Wände, Akten stapeln sich auf dem Fenstersims. Durch eine Scheibe kann er das Treiben in der Werkstatt beobachten. Doch wenn er den kleinen Safe in seinem Büroschrank öffnet und seinen Inhalt herausholt, kommt Glamour in die Schreibstube. Dann glitzern auf der graue Melamin-Schreibtisch schnell Steine im Wert von 40.000 Euro.

Der Chef de Bling heißt Norbert Hubbeling. Er leitet beim Schmuckhersteller Niessing die Abteilung Diamanten. Seit 35 Jahren begutachtet er für das Familienunternehmen in Vreden die glitzernden Edelsteine, bestimmt ihren Wert, kauf sie ein und entscheidet, welcher Brillant in welchem Ring funkeln wird. „Um den Wert eines Brillanten zu bestimmen, ist nicht nur ausschlaggebend, wie viel Carat er hat", erklärt Hubbeling. In Carat wird allein das Gewicht des Edelsteins gemessen. 1 Carat entspricht 0,2 Gramm. Die Maßeinheit stammt vom Johannisbrotbaum. Sein botanischer Name: Cerat onia siliqua. Seine Samen wiegen immer exakt 0,2 Gramm und wurden deshalb früher als zuverlässige Gewichtseinheit verwendet.

„Wie wertvoll ein Brillant ist, hängt davon ab, ob auch seine übrigen Eigenschaften exzellent sind. Dazu gehört seine Farbe, Reinheit und sein Schliff. Unsere Standardqualität bei Niessing ist VS1." Hubbeling holt eine kleine Lupe aus der Schreibtischschublade, stellt sie über einen kleinen Brillanten und bittet mich, hindurch zu sehen. Unter dem Vergrößerungsglas sehe ich statt eines klaren Minerals rote Flächen, die wie Pfeile zur Mitte weisen. Die Speziallupe macht mit Hilfe eines Blaufilters die Lichtreflektionen sichtbar, die durch den Schliff entstehen. Kann man acht Pfeile auf der oberen Seite und acht Herzen auf der unteren Seite des Brillanten sehen, ist er perfekt geschliffen.

Russland ist einer der wichtigsten Lieferanten hochwertiger Diamanten

Am wertvollsten sind weiße Diamanten ohne Einschlüsse. Wenn Bor oder Stickstoff die reinen Kohlenstoffkristalle verunreinigen, verändern sie ihre Farbe und sie schimmern, blau, bläulich, grün, gelbe, rosa und sogar rot. „In Afrika sind viele unterschiedliche Mineralien im Boden, daher findet man dort oft farbige Diamanten", erklärt Norbert Hubbeling. „In Russland ist die Geologie günstiger, es gibt viel mehr weiße Steine. Deshalb sind die meisten unserer Steine von dort."

Das hat noch einen weiteren Vorteil: Seit einigen Jahren ist das glitzernde Bild von Diamanten mit Blutspritzern besudelt. In afrikanischen Ländern wie Sierra Leone, Liberia und Angola wurden blutige Bürgerkriege mit Diamanten finanziert, die unter zweifelhaften Umständen in illegalen Minen abgebaut wurden. Mit den Erlösen kauften Rebellenführer Waffen, finanzierten Kindersoldaten. Wer schmückt sich in Europa schon gerne mit Brillanten, für die andere Menschen sterben mussten?

Seit 2003 sorgt der Kimberly-Prozess dafür, dass keine Konfliktdiamanten mehr gehandelt werden. Seitdem stellen staatliche Stellen der Mitgliedsländer Zertifikate aus, die belegen, dass Rohdiamanten aus legalen Mienen stammen. "Niessing verarbeitet nur Diamanten aus legalen Mienen", versichert Hubbeling.

Menschrechtsverletzungen in Diamantenmienen

Doch das System hat viele Kritiker. Die Definition von Konfliktdiamanten sei eng, merkt zum Beispiel Global Wittness an. Die Menschenrechtorganisation war einer der Gründer des Kimberly Abkommens und hat sich 2011 aus dem Kontrollgremium zurückgezogen. Der Grund: Das Abkommen werde nicht weiterentwickelt, Schlupflöcher nicht geschlossen. Denn zertifiziert wird nur, dass die Diamanten keine Rebellengruppen gegen anerkannte Regierungen finanzieren. Nicht garantiert ist, unter welchen Bedingungen Arbeiter in staatlich kontrollierten Mienen arbeiten. Zertifikate werden ausschließlich für Rohdiamanten ausgestellt. (Sobald ein Stein geschliffen ist, ist seine Herkunft nicht mehr zurück verfolgbar.)

Hubbeling kennt die Probleme des Diamanthandels. Seiner Ansicht nach konzentrieren sich die angeprangerten Probleme aber vor allem in Afrika. "Man spricht von 0,1 Prozent aller Diamanten, die davon betroffen sind", sagt Hubbeling. Denn es gibt viele andere, konfliktärmere Fundstätten der wertvollen Steine. Russland zum Beispiel, Australien und auch Canada fördern Diamanten. Der Nordamerikanische Staat geht bei seinen Kontrollen weit über die Anforderungen des Kimberly-Abkommens hinaus. Und auch andernorts werden größere Steine ab 0,3 Carat per Laser mit einer Nummer gekennzeichnet.

Je weniger Zwischenhändler desto weniger lassen sich Menschenrechtsverletzungen verschleiern

Von den Diamanten, die in der Manufaktur von Nissing verarbeitet werden, weiß Hubbeling genau, aus welchen Mienen sie stammen. Denn er steigt ganz vorne in die Handelskette ein. „Auf der Welt gibt es etwa zwei Hand voll sogenannte Sight Holder, die berechtigt sind, direkt von de Beers in London oder in Moskau zu kaufen. Sie geben die Steine an die Schleifer weiter, die aus den Rohdiamanten Brillanten machen und sie anschließend an die Diamantbörsen zum Beispiel in Antwerpen bringen", erklärt Hubbeling. Dort kaufen Großhändler, die wiederum an Juweliere verkaufen - oder an weitere Zwischenhändler. Je mehr Stationen der Diamant bis zur endgültigen Verarbeitung in ein Schmuckstück durchläuft, desto weniger kann die Herkunft und die Verarbeitung nachvollzogen werden. Deshalb kauft Niessing direkt von einem Sight Holder. „Dem vertrauen wir völlig", bekräftigt Hubbeling. Weiterer Vorteil: „Zu Beginn können wir uns noch die besten Steine raus picken", verrät er, schiebt die glitzernden Steinchen vorsichtig in ein Samtsäckchen und legt es zurück in den kleinen Safe seines Büros.

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