Bindungsphobie - wenn die Liebe Angst macht

Bindungsphobie - wenn die Liebe Angst macht

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Als einen "Zickzack-Kurs von Nähe und Distanz" beschreibt die Psychologin und Buchautorin Stefanie Stahl Menschen, die unter Bindungsangst leiden. Warum die Nähescheuen und ihre Partner trotzdem nicht verzweifeln müssen.

Foto: Milly K./Image Source/Corbis

Die Therapeutin, Psychologin und Autorin ist Expertin für das Thema Bindungsangst.

Frau Stahl, was genau versteht man unter einer Bindungsphobie?
Stefanie Stahl: Diese Menschen fühlen sich in festen Beziehungen schnell eingeengt. Dahinter steckt ein (zumeist unbewusstes) psychisches Programm und die Furcht sich für den Partner verbiegen zu müssen. Andere verspüren ausgerechnet massive Verlustängste, wenn die Partnerschaft zu nah und intensiv wird. Sie versuchen den Partner auf Abstand zu halten und die Kontrolle über ihre Gefühle zu bewahren. In beiden Fällen flüchten die Betroffenen sich in die Arbeit, Hobbies, sexuelle Lustlosigkeit oder Affären, um die Nähe zum Partner zu dosieren. Oder sie machen Schluss. Natürlich gibt es auch Bindungsängstliche, die es gar nicht erst zu einer Partnerschaft kommen lassen. Aber die Mehrzahl geht Partnerschaften ein, heiratet sogar, hält aber immer einen gewissen Sicherheitsabstand zum Partner ein. So wird nach Momenten der Nähe immer wieder Distanz hergestellt. Deswegen sind die meisten bindungsängstlichen Beziehungen auch durch einen Zickzack-Kurs von Nähe und Distanz gekennzeichnet.

Sind mehr Frauen oder mehr Männer davon betroffen?
Man muss zunächst einmal zwischen passiver und aktiver Bindungsangst unterscheiden. Die Aktiven sind die, die flüchten, sich nicht wirklich einlassen. Das sind häufiger Männer. Die Passiven hingegen wollen so einen Näheflüchter unbedingt an sich binden. Sie sind unheimlich verliebt und fühlen sich total abhängig. Frauen sind häufiger in dieser passiven Position. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass diese Rollen auch innerhalb einer Beziehung wechseln können.

Was sind typische Verhaltensweisen von Bindungsphobikern?
Bindungsangst produziert ein hochgradig ambivalentes Verhalten der aktiven Partner. Spätestens, wenn die erste Verliebtheit abgeklungen ist, überfallen den aktiv Bindungsängstlichen heftige Zweifel, ob der Partner überhaupt der oder die Richtige ist. Die Liebesgefühle lassen nach. Sie fühlen sich zerrissen zwischen ihrem Wunsch nach Nähe und ihrem Freiheitsbedürfnis. Diese Zerrissenheit führt dazu, dass sie sich ungern festlegen. Immer, wenn es darum geht, gemeinsame Pläne zu machen, eiern sie herum. Zusagen erfolgen, wenn überhaupt, äußerst zäh. Die passiven Partner haben das Gefühl, zu kurz zu kommen und dem Aktiven hinterherzulaufen. Je mehr sie jedoch klammern, desto mehr fühlt sich der aktive Partner unter Druck gesetzt. Das ist der typische Teufelskreis in bindungsängstlichen Beziehungen.

Foto: Universal

Zerrissen zwischen Nähe und Freiheitsbedürfnis

Wie verhalte ich mich am schlauesten, wenn ich mich in einen Bindungsphobiker verliebt habe?
Am schlauesten wäre es, wenn ich mich gar nicht erst in ihn verliebe. Wie gesagt, ist es meistens so, dass der Partner, der sich nach einem aktiv Flüchtenden verzehrt, zumeist selbst unter Bindungsangst leidet. Sehr schlau wäre es also, wenn ich mich mit der Frage beschäftigen würde, was mich so derartig abhängig macht? Die meisten Passiven beantworten diese Frage im ersten Anlauf damit, dass sie so unglaublich verliebt seien. Tatsächlich ist es aber so, dass sie nur deswegen so verliebt sind, weil der andere ihnen nicht sicher ist. Läge er ihnen zu Füßen, wäre er wahrscheinlich gar nicht mehr so interessant.

Hört sich verzwickt an ...
Grundsätzlich muss man verstehen, dass der einzige Mensch, auf den wir Einfluss nehmen können, wir selbst sind. Das heißt, ich kann mich nicht so verhalten, dass der aktiv Bindungsängstliche von seinem Problem geheilt wird. Alles, was ich tun kann ist, meine eigenen Anteile zu analysieren und zu verändern. Davon wollen die meisten passiven Partner aber nichts wissen. Wie besessen drehen sie sich gedanklich um die Frage, wie sie ihre Zielperson von sich überzeugen können. Da kann ich ihnen nur den Rat geben, sich selbst möglichst unabhängig zu machen und sich auf andere Lebensbereiche wie Freunde, Hobbies und Beruf zu konzentrieren. Je weniger sie nämlich ihrem Zielobjekt hinterherlaufen, desto interessanter bleiben sie für es.

Ist trotzdem ein Happy End für Bindungsänstliche möglich?
Ja, nämlich dann, wenn beide Partner sich um Selbsterkenntnis und Weiterentwicklung bemühen. Wenn ich erkenne, dass meine Beziehungsprobleme nicht daher rühren, dass ich noch nicht den oder die Richtige gefunden habe, sondern etwas mit mir selbst zu tun haben, dann habe ich schon den ersten wichtigen Schritt gemacht. Dann muss ich in die Tiefe gehen und verstehen, welche psychischen Programme ich rund um das Thema Liebe und Beziehung habe. Bindungsangst liegen fast immer ungünstige Prägungen in der Kindheit zugrunde. Diese kann man verändern und auflösen mit Hilfe von psychologischen Ratgebern und/oder psychologischer Beratung.

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