Nein! Den anderen müssen wir nicht so nehmen, wie er ist

Nein! Den anderen müssen wir nicht so nehmen, wie er ist

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Mit diesem Satz provoziert Paartherapeut Oskar Holzberg. Aber er erklärt auch, warum das so ist.

Foto: JPM/Image Source/Corbis

"Wie ein Hündchen!" Das saß. Hier in der Therapie kann Beate so direkt mit ihrem Mann Oliver sprechen. "Dauernd fragst du mich, ob ich okay bin. Und beim Sex ist es besonders nervig. Jedes Mal fragst du mich, wie es für mich war. Ob alles gut war. Ob ich glücklich bin. Ich möchte eigentlich auch mal nicht so zufrieden mit unserem Sex sein dürfen, aber ich will dich ja auch nicht verletzen. Jedenfalls nervt es mich, dass du wie ein Hündchen hinter mir herläufst und ständig darum bettelst, bestätigt zu werden!" Oliver sitzt bedröppelt da. Schließlich sagt er, dass er das verstehe. Aber so sei er nun mal. Und dann kommt der Satz: "Du musst mich so nehmen, wie ich bin!"

"Ich bin nun mal, wie ich bin" - dieser Satz ist allein schon deshalb Unsinn, weil niemand bleiben kann, wie er ist. Wie alles im Universum, befinden auch wir uns in stetiger Veränderung. Unser Gehirn kann gar nicht NICHT lernen. Und wenn uns irgendetwas verändert, dann ist es das intensive Erleben in einer Liebesbeziehung. Ein verlässlicher Partner kann unsere Trennungsängste heilen. Ein Unzuverlässiger kann uns beziehungsängstlich werden lassen. Kurzum: Mit einer anderen Person an unserer Seite wären auch wir eine andere Person.

Foto: Ilona Habben

"Du hast doch genau gewusst, auf wen du dich einlässt": Das klingt wie "gekauft ist gekauft", und so ist es ja auch gemeint. Der Partner soll sich damit zufriedengeben. Was wie ein Appell an die bedingungslose Liebe klingt, ist in Wahrheit jedoch eine Verweigerung.

Bei Oliver steckt hinter dieser Aussage die Angst, für Beate nicht gut genug zu sein. Er ist eher klein und ein Selfmade-Mann aus bescheidenen Verhältnissen, während Beate aus einem Akademiker-Haushalt mit einem großen, sportlichen, sehr intellektuellen Vater stammt. Deshalb sucht Oliver ständig ihre Bestätigung. Deshalb soll sie keine Veränderung von ihm fordern, der er dann vielleicht endgültig nicht mehr genügen kann.

Doch jemanden von ganzem Herzen zu lieben bedeutet nicht, dass wir jedes Verhalten unseres Partners hinnehmen: weder ungewaschene Achselhöhlen noch übergriffige Griffe in unser Portemonnaie oder nervige Nachfragen. Und wir sollten es auch nicht. Die große Aufgabe für Paare besteht schließlich gerade darin, eine Verhandlungskultur zu entwickeln, um aus zwei einzelnen Leben ein gemeinsames zu formen. Doch ein "Du musst mich nehmen, wie ich bin" blockiert von vornherein jedes Aushandeln.

"Ich bin nun mal so" - dieser Satz ist schon deshalb Unsinn, weil wir uns ständig verändern

Aber heißt es nicht immer, dass man den Partner nicht verändern kann? Bedeutet gleichberechtigte Partnerschaft nicht, gegenüber dem anderen tolerant zu sein und einander nicht an der eigenen Selbstverwirklichung zu behindern? Sicher, wir sollten in unserem Liebsten kein Umbau-Projekt sehen und erwarten, dass sich ein Schluffi in einen Styler verwandelt. Aber das ist nicht gleichbedeutend damit, dass unser Partner nicht auf unsere Bedürfnisse eingehen kann. Wenn wir lieber zärtlich in den Sex gleiten, kann unser Liebster darauf verzichten, sich jedes Mal sofort und ausschließlich auf unsere Geschlechtsteile zu stürzen. Wir alle können Rückmeldungen reflektieren und lernen, uns anders zu verhalten. Wer sich aber wie Oliver hinter der Maske der Unveränderbarkeit versteckt, arbeitet in Wahrheit hart daran, sich gegenüber dem Partner zu verschließen. Doch wir müssen niemanden so nehmen, wie er ist.

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