Eine Alternative für die Hochzeitsfotografie? Die Fuji X-T2 im Einsatz | Yvonne Zemke - Hochzeitsfotografie

Eine Alternative für die Hochzeitsfotografie? Die Fuji X-T2 im Einsatz | Yvonne Zemke - Hochzeitsfotografie

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Jeder Fotograf, der für seine Hochzeiten reisen muss, kennt diesen Moment: die Minuten vor dem Flughafenschalter, in denen ich mich frage, ob meine Ausrüstung auch diesmal als Handgepäck akzeptiert wird. Dank eines Think Tank Airport-Koffers reizt man jeden erlaubten Zentimeter aus. Freundlich lächeln überspiele ich das viel zu hohe Gewicht in meinen Händen. Zwei Vollformatkameras mit Batteriegriffen, die Objektive und viele empfindliche und teure Kleinigkeiten. Als Gepäck aufgeben? Niemals. Wir wissen, am Flughafen muss alles schnell gehen. Und so haben wir alle schon im Vorfeld aus dem Flugzeugfenster beobachtet, wie unsanft das Gepäck behandelt wird. Die Vorstellung, im Ausland am Tag einer Hochzeit den Koffer zu öffnen und vor den Scherben eines Objektives zu sitzen, wenn die Ausrüstung im Wert von vielen tausend Euro überhaupt das Ziel erreicht (mit verschwundenen Koffern habe ich Erfahrung)- nein, diesen Gedanken verdränge ich schnell wieder. Also reiße ich mich zusammen und versuche weiter den Eindruck zu erwecken, mein Handgepäck sei federleicht.
Am Tag der Hochzeit trage ich dann einen großen Teil dieser Ausrüstung mit mir. Zwei Kameras mit mehreren Kilo Gewicht an jeder Seite. Der Fotokoffer im Hintergrund, der für Portraits im Feld auch schon einmal getragen statt gerollt werden muss. Erwähnte ich schon Treppen? Natürlich könnte ich mit einer Assistentin arbeiten. Aber das würde meine Arbeit ändern - dazu habe ich in diesem Blogpost schon einmal etwas geschrieben.

Und so beobachte ich seit vielen Jahren den schnell wachsenden Markt der spiegellosen Kameras. Einige Kollgen sind schon umgestiegen, aber überzeugt war ich noch nicht. Privat habe ich mir vor einigen Jahren sofort eine X100 Limited Edition von Fujifilm gekauft, als diese auf den Markt kam. Ein wunderbares Gefühl, diese Kamera im Stil einer alten Rangefinder in den Händen zu halten. Aber für meine Aufträge war sie mit ihrer festen Brennweite kaum geeignet, obwohl ich immer wieder einmal auch bei Hochzeiten einige Aufnahmen am Rande damit gemacht habe. Dann erschien die X-T1. Nah dran. Fast die Kamera, auf die ich gewartet habe. Von der Bedienung einer Spiegelreflexkamera sehr ähnlich. Viele Drehschalter statt umständlicher Menüs. Und ein wunderbares Design, um diesen Punkt nicht zu vergessen. Aber war die Kamera wirklich nur „nah dran". Ein Kartenslot? Das Risiko eines Kartendefekts war mir damit zu hoch. Der Autofokus konnte nicht mit meiner Canon mithalten. Ich war noch nicht überzeugt. Aber ich wusste, es kann nicht mehr lange dauern.

Dank eines sehr freundlichen Kontaktes mit Fujifilm in Kleve hatte ich in den vergangenen Wochen die Gelegenheit, die jetzt angekündigte Fujifilm X-T2 in der Praxis auszuprobieren. Da die Hochzeitssaison gerade erst begonnen hat, zuerst bei einigen Portraitsessions. Und nachdem ich mir sicher war, die richtige Kamera dafür in der Hand zu haben, auch bei einer Hochzeit. Für mich ist wichtig, ein zuverlässiges Arbeitsgerät zu besitzen, um für meine Kunden die Aufnahmen zu machen, die sie sich wünschen und die sie von mir kennen. Daher folgen hier kaum Zahlen oder Werte, das überlasse ich anderen - entsprechende Tabellen oder Tests werden bestimmt zahlreich erscheinen. Statt dessen geht es um den praktischen Einsatz bei einer Hochzeit oder Portraitsessions ohne großes Setting, mit schnell wechselnden Locations und Lichtverhältnissen.

Nun also zu meinen Erfahrungen - was mir an der Fujifilm X-T2 bei meiner Arbeit als Hochzeitfotografin gefällt:

1. der große elektronische Sucher mit hoher Bildwiederholrate

Elektronischer Sucher? Bis vor kurzem für mich noch unvorstellbar. Ein langsames, verpixeltes Bild. Bewegte Objekte waren oft viel zu schnell. Das ist bei der X-T2 anders. Mit einer Vergrößerung von 0.77x kommen wir mit Fujifilms OLED-Sucher endlich in den Größenbereich einer Spiegelreflexkamera. Bildwiederholrate? Bei 60 Bildern pro Sekunde (100 im Boost-Modus) vermisse ich den optischen Sucher nicht mehr. Und das mit dem Vorteil, die endgültige Belichtung schon vorher zu sehen.

2. ein klapp- und schwenkbares Display

Ich bevorzuge meist die konservative Arbeitsweise und blicke beim Fotografieren durch den Sucher. Jedesmal erzeugt der Anblick von Menschen, die dabei auf das hintere Display schauen, ein Lächeln. Aber manchmal benötigt man es doch. Mit einem Klappsucher kann ich wie bei alten Kameras mit Lichtschacht das Bild von oben sehen - und ich muss bei einer Hochzeit nicht noch viele Stunden in schmutziger Kleidung arbeiten.

Nein, es ist kein frei bewegliches Dreiwege-Display, sondern entweder klapp- oder schwenkbar. Hätte ich mir das anders gewünscht? Wenn ich an die Belastungen denke, der meine Ausrüstung während eines langen Tages ausgesetzt ist, eher nicht.

3. zwei Kartenslots

Unendlich wichtig. Bisher waren meine Speicherkarten immer zuverlässig. Trotzdem - eine defekte Karte bedeutet bei nur einem Kartenslot meist unwiderbringlich verlorene Bilder. Daher habe ich früher immer meine Speicherkarten noch während der Hochzeit auf einem mobilen Fotospeicher gesichert. Seit die Kameras meines bisherigen Herstellers zwei Kartenslots besitzen, habe ich jede Aufnahme doppelt abgespeichert und könnte mir das nicht mehr anders vorstellen. Das ist mit der X-T2 über zwei Slots mit SD-Karten im USH-II Standard möglich.

4. der Autofokus und die schnelle Auswahl des Fokusfeldes über den Fokushebel

Zwei Dinge fallen mir sofort negativ ins Auge, wenn ich mir fremde Aufnahmen anschaue. Das eine sind schiefe und kippende Bilder, für mich ein Zeichen von schludriger Arbeit vor Ort und Faulheit bei der Bildbearbeitung - das Thema ist eigentlich einen eigenen Blogpost wert. Das andere sind sogenannte „Bullseyes". Das Hauptmotiv, beispielsweise bei einem Hochzeitsportrai die Köpfe der Protagonisten, ist in der Mitte. Darüber noch viel leerer Raum ohne jede Bildgestaltung. Noch ein Vintagefilter darüber und fertig ist die Kunst. Wirklich? Nein, das zeigt einfach nur Gedankenlosigkeit des Fotografen.

Was das mit dem Autofokus zu tun hat? In der Anfangszeit der Fotografie wurde manuell fokussiert, da stellte sich die Frage nach der Wahl des scharfen Bereiches im Bild nicht. Schärfe war da, wo der Fotograf sie haben wollte. Sofern seine Augen gut genug und er schnell genug war. Auch heute noch schwören viele Fotografen auf einen manuellen Fokus (da bietet die X-T2 auch großartige Unterstützung, mehr dazu gleich). Da aber bei einer Hochzeit viel Bewegung im Spiel ist, hilft ein Autofokus ungemein. Die ersten Digitalkameras hatten nur in der Mitte einen zuverlässigen Autofokussensor. Das führte zu Techniken, in denen man das Objekt mittig fokussierte und mit diesem Fokus die Kamera schwenkte, um den gewünschten Bildschnitt zu erreichen. Schon dieser Schritt hat offensichtlich viel zu viele Fotografen überfordert - anders kann ich mir nicht erklären, warum auch heute, mit den über das Bild verteilten Autofokussensoren noch so viele Bullseyes zu sehen sind.

Die X-T2 hat bis zu 328 Fokuspunkte, Phasendetektion über 40% und Kontrast-AF auf ca. 65% der Bildfläche. Bei einer Spotmessung auf einen Punkt - alles andere würde nicht dem Fotografen, sondern alleine der Kamera überlassen, wo die Schärfe liegen soll - kann man die Größe des Bereiches variabel einstellen und über den rechten Joystick das Feld auswählen, ohne die Kamera abzusetzen. Schnell, bequem und zuverlässig, wie ich es von meinen Spiegelreflexkameras gewöhnt war. Hier jedoch fast über einen größeren Bildbereich und in viel detaillierterer Auflösung. Bewegung ist dank verschiedener AF-C Tracking-Modi kein Problem. Kein Verschwenken mehr notwendig - erst recht kein Bullseye.

Und hier noch die versprochen Information über die manuellen Fokussierhilfen: dort bietet die X-T2 gleich drei Möglichkeiten. Ein digitales Schnittbild in Farbe oder Schwarz-Weiss über den gesamten Bildbereich, die Vergrößerung des zentralen Bildbereiches und Fokus-Peaking (Anzeige der scharfen Kanten) in mehreren Farben.

5. Bedienung über mechanische Wahlräder

Ja, auch die X-T2 hat eine ausufernde und tief verschachtelte Menüstruktur, bei der ich mich manchmal frage, wer dafür verantwortlich ist. Manche immer wieder benötigten Funktionen verstecken sich sehr gut vor mir. Glücklicherweise können viele Funktionen auf eine der sechs benutzerdefinierten Funktionstasten gelegt werden.

Was aber noch viel schneller geht: die Bedienung über klassische Wahlräder, die sich wie bei alten analogen Kameras intuitiv bedienen lassen. Damit lassen sich unter anderem ISO-Wert, die Belichtung, Verschlusszeit und die Belichtungsmessung einfach ändern.

6. Fujifilms Objektivlinie

Für die Zeit meines Tests hatte ich zwei wunderbare Objektive zur Verfüung - das XF 56mm f1.2 und das XF 23mm f1.4. Schon aus analogen Zeiten genießt Fujifilm einen hervorragenden Ruf - den ich für die getesteten Objektive bestätigen kann. Schon bei Offenblende sind sie hervorragend, so dass die höhere Schärfentiefe durch den kleineren APS-C-Sensor ausgeglichen werden kann, wenn man es denn mag. Da ich sowieso auch an der Vollformatkamera selten mit völlig offener Blende fotografiere, waren meine Bilder aus den letzten Wochen von ihrer Wirkung her oft nicht von den Ergebnissen der Canon mit Objektiven entsprechend umgerechneter Brennweite zu unterscheiden - und das bei viel geringerem Gewicht und Größe. Ich habe mich immer wieder dabei erwischt, erst nach Blick in die EXIF-Daten sicher zu sein, mit welcher Kamera ich ein bestimmtes Bild aufgenommen habe.

8. Akkulaufzeit

Die geringe Akkulaufzeit war bisher einer der großen Nachteile dieses Systems. Dank eines zusätzlichen Batteriegriffes können nun bis zu 3 Akkus verwendet werden. Damit steigt die Kapazität auf ca. 1.000 Bilder.

9. JPEG-Dateien und Filmsimulationen

Wie viele meiner Kollegen fotografiere ich im RAW-Format, dadurch erhalten meine Bilder erst bei der Bearbeitung die typische Farbgebung. Die Verwendung des komprimierten JPEG-Formates kam für mich nie in Frage, um noch genug Bearbeitungsreserven zu haben. Da in den ersten Wochen des Tests noch kein RAW-Konverter außerhalb der Kamera zur Verfügung stand, griff ich bei der X-T2 anfangs auf die JPEG-Dateien zurück. Schon vom ersten Tag an war ich begeistert von den Ergebnissen. Farbe, Schärfe, Rauschverhalten, Detailreichtum - alles stimmte. Kleinere Nachbearbeitungen waren problemlos möglich. Die Filmsimulationen der Kamera, z. B. Fuji Velvia oder Acros für Schwarz-Weiss, sind den Kamerapresets anderer Hersteller weit voraus.
Trotzdem wartete ich ungeduldig auf die Möglichkeit, auch in Lightroom mit den RAW-Dateien arbeiten zu können. Als es soweit war, musste ich erst einmal mehr Geduld als früher aufbringen - die größere Auflösung von 24,3 Megapixeln des X-Trans III-Sensors im Vergleich zur Canon 5D Mark III und ein offensichtlich noch nicht perfektes Rendering der Bilder in Lightroom ließen die Bearbeitungszeit im Vergleich zur Canon ansteigen. Aber zu meiner positiven Überraschung bemerkte ich: das war gar nicht notwendig. Die Qualität der JPEG-Dateien direkt aus der Kamera ist so hoch, dass eine manuelle Bearbeitung der RAW-Dateien nur noch selten notwendig ist.

Zu all den positiven Eindrücken gesellen sich noch eine hohe ISO-Empfindlichkeit und der Spritzwasserschutz. Doch wo Licht ist, findet sich bei den im Vergleich zu den etablierten Spiegelreflexkamerasystemen noch recht jungen spiegellosen Systemkameras auch Schatten - leider fehlt es noch an Zubehör für einen wichtigen Bereich: externes blitzen. Während ich tagsüber selten künstliches Licht benötige, arbeite ich bei einer Feier am Abend mit mehreren im Raum verteilten externen Blitzen und einem leichten Aufhellblitz auf der Kamera. Diese kann ich bei Canon alle von meiner Kamera aus steuern. Hier hat Fujifilm noch keine gleichwertige Alternative zu bieten - weder von der Blitzleistung, noch von der bequemen Ansteuerung her. Einige Fremdanbieter versuchen, diese Lücke zu füllen. Aber meine Erfahrungen aus der Vergangenheit lassen mich da noch ein wenig vorsichtig sein. Die Suche nach einem Fehler ist oft aufwendig und jeder Hersteller schiebt die Schuld auf den anderen Part. Lieber ist mir eindeutig ein homogenes System eines Herstellers.
Daher meine dringende Bitte an Fujifilm: für den professionellen Einsatz - und dafür ist die X-T2 eindeutig geeignet - sind funkgesteuerte Systemblitze unverzichtbar.

Neben der X-T2 hatte ich die Möglichkeit, die X-PRO2 zu nutzen. Auch das eine wunderbare Kamera - durch den identischen Sensor entstehen Bilder gleicher Qualität. Doch für meinen Einsatzzweck bietet die X-T2 mehr Vorteile: das schwenkbare Display und der größere elektronische Sucher sind wichtiger als der fehlende optische Sucher, auch wenn mich das Rangefinder-Design der X-PRO2 sofort anspricht. Eigentlich steht mein Entschluss schon fest - die Umsetzung wird allerdings, vor allem vor dem Hintergrund des noch fehlenden Blitzsystems, einige Zeit in Anspruch nehmen.

Und jetzt folgen ein paar Bildbeispiele aus den letzten Wochen:

23mm, f3.2, 1/125s, ISO500 -aus RAW-Datei mit Acros+R in Lightroom

Beide: 56mm, f2.5, 1/125s, ISO400 - links aus RAW-Datei mit Fuji Velvia, rechts eigene Schwarz-Weiss-Umwandlung

23mm, f2.8, 1/125s, ISO1600 - aus RAW-Datei mit Fuji Provia

56mm, f2.8, 1/160s, ISO500

56mm, f2.8, 1/500s, ISO200

56mm, f2.8, 1/500s, ISO200, JPEG, eigene Schwarz-Weiss-Mischung in Lightroom

23mm, f2.8, 1/750s, ISO2000, aus RAW-Datei mit Acros+Ye in Lightroom

56mm, f4, 1/200s, ISO400, aus RAW-Datei mit eigener Schwarz-Weiss-Mischung

Links: wie oben, Rechts: 56mm, f3.6, 1/200s, ISO320, JPEG aus der Kamera mit Fuji Provia und etwas Dodge and Burn in Lightroom

Und hier folgt noch ein 1:1 Ausschnitt in 100% mit dem XF56mm bei Fensterlicht - mit diesem Fokus und der Schärfe bin ich zufrieden:
56mm, f/2.8, 1/250s, ISO320

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