Liebeskummer: Warum er normal ist und was hilft

Liebeskummer: Warum er normal ist und was hilft

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Die Liebe ist das schönste Gefühl, das wir erleben dürfen - aber leider gibt es wie überall im Leben eine Kehrseite der Medaille: Wird die Liebe nicht erwidert oder scheitert sie, leiden wir sehr darunter. Gefühle, die sich dann breitmachen, sind Trauer, Wut, Verzweiflung und Mutlosigkeit.

Wir fühlen uns zurückgestoßen, vernachlässigt und jede Sekunde schießt uns ein "Ich vermisse ihn so schrecklich" ins Herz. Praktisch jeder von uns muss mindestens einmal im Leben so eine Phase durchmachen und überwinden. Das zu schaffen, ist gar nicht so einfach. Der Spruch "Die Zeit heilt alle Wunden" ist zwar meistens zutreffend, daran zu glauben, fällt aber ziemlich schwer in der Krise.

Die häufigsten Gründe für Herzschmerz

Ob unglücklich verliebt, Pech bei der Partnersuche, aktuelle Beziehungsprobleme (z. B. fremdgehen) oder Trennungskrise - wir leiden aus verschiedenen Gründen. Warum wir den Liebesschmerz erleben, sagt aber nichts über die Intensität des Kummers aus. Eine unerfüllte Liebe kann genauso wehtun wie eine Trennung nach 20 Jahren Ehe. Es wäre also falsch, den Schmerz von vornherein von der Länge der Liebe abzuleiten.

Keine Sprüche, sondern Empathie: So könnt ihr trösten

Eure Freundin leidet gerade so richtig? Sie hat Beziehungsprobleme oder Trennungsschmerzen und ihr wollt ihr dabei helfen, etwas zu finden, das ihre Trauer ein wenig lindert? Dann geht behutsam mit ihr um. Tipp: Der Spruch "Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling" ist jetzt ziemlich unangebracht. Auch Sprüche wie "Andere Mütter haben auch schöne Söhne" sollte man sich sparen. Binsenweisheiten sind so ziemlich das Letzte, was man mit Beziehungsproblemen oder Herzschmerz hören möchte - selbst der weiseste Spruch kann in dieser Situation nicht trösten. Ihr wollte eurer Freundin helfen? Dann findet ihr hier hilfreiche Ratschläge: Liebesschmerz - Tipps für die Freundin.

Wenn die Krise einen auffrisst: Das Experten-Interview

Elena-Katharina Sohn berät seit fünf Jahren mit einem Team aus Psychologen und Coaches Menschen mit Liebeskummer. Was sie aus den vielen Gesprächen gelernt hat: je komplizierter die Beziehung, desto größer der Trennungsschmerz.

BRIGITTE: Frau Sohn, Ihre Agentur heißt "Die Liebeskümmerer". Was wollen die traurigen Menschen, die sich bei Ihnen melden, genau von Ihnen?

Elena-Katharina Sohn: Alle wollen vor allem Hilfe gegen diesen Schmerz, dem sie so ohnmächtig gegenüberstehen. Viele haben sich schon im Freundeskreis ausgetauscht und suchen jetzt einen professionellen Rat. Aber es gibt auch Leute, die ihren Liebeskummer mit ihren Freunden gar nicht so sehr teilen, weil sie fürchten, nicht genug Verständnis zu bekommen. Oder weil sie schon so lange Liebeskummer haben, dass sie denken: Ich kann das keinem mehr zumuten.

Warum hat er sich gegen mich entschieden?

Verständlich. Jeder, der schon mal Liebeskummer hatte, weiß, wie schlimm sich das anfühlt. Aber er wird unter Erwachsenen tatsächlich meist nicht besonders ernst genommen.

Ja. Ich sehe immer wieder die gravierende Diskrepanz zwischen dem, wie sich die Leute bei Liebeskummer fühlen, und wie er öffentlich angesehen ist. Ich hatte mal eine ältere Dame um die 70 in der Beratung, die vorher einen Partner durch Tod verloren hatte und nun einen durch Trennung. Sie sagte, das Verlieren des Partners durch Trennung sei für sie schlimmer gewesen. Natürlich ist das eine sehr provokante Aussage. Aber beim Verlust des Partners durch Tod wusste sie: Das ist unabänderlich. Nach dem Verlassenwerden quälten sie dagegen die ganzen Fragen und Zweifel: Warum hat er sich gegen mich entschieden? Hätte ich etwas anders machen können?

Gibt es eine Dauer und Intensität von Liebeskummer, von der Sie sagen würden: Das ist nicht mehr normal, da braucht es therapeutische Hilfe?

"Normal" ist ein schwieriges Wort, da es so viele falsche Faustregeln gibt, die man oft hört, wie zum Beispiel: Der Liebeskummer dauert halb so lang, wie die Beziehung gedauert hat. Das ist totaler Blödsinn. Meiner Erfahrung nach hat die Intensität des Liebeskummers kaum etwas damit zu tun, wie lang die Beziehung war. Und die Leute bauen sich durch solche Regeln noch zusätzlich Druck auf, weil sie denken, sie dürften nicht fühlen, was sie fühlen. Aber auf jeden Fall sofort Hilfe suchen muss man, wenn man Suizidgedanken hat. Was die Dauer angeht, kann man sagen, dass in der psychologischen Terminologie Liebeskummer als "Anpassungsstörung" definiert ist. Die gilt allgemein als therapiebedürftig, wenn sie länger als zwei Jahre anhält.

Den schlimmsten Liebeskummer haben Menschen, die aus sehr komplizierten Partnerschaften kommen

Wer leidet am schlimmsten unter solch extremen Liebeskummer?

Den schlimmsten, wirklich existenziellen Liebeskummer haben meiner Erfahrung nach Menschen, die aus sehr komplizierten Partnerschaften kommen. Zum Bei­spiel mit einem narzisstischen Partner, wo keine Beziehung auf Augenhöhe geführt wurde. Oder Frauen, die eine Affäre mit einem verheirateten Mann hat­ten. Dahinter erkennt man ein gewisses Muster, das lautet: Den schlimmsten Liebeskummer haben Menschen, die in der Beziehung ihre eigenen Bedürfnisse sehr zurückgestellt haben, weil ihnen Partnerschaft wichtiger ist als alles andere. Und das sind umgekehrt auch genau die, die oft in eher schwierigen Beziehungen fest­ stecken. Weil sie eben um jeden Preis in einer Partnerschaft sein wollen und dafür sehr viel in Kauf nehmen.

Es gibt ja auch Leute, die hatten als Single ein glückliches Leben mit vielen Interessen und Freunden - und werfen alles über Bord, sobald sie jemanden kennenlernen.

Ja, und nach der Trennung fallen diese Menschen erst einmal in ein sehr tiefes Loch. Aber meiner Erfahrung nach sind die es auch, die es schaffen, da doch relativ schnell wieder raus zu kommen. Am aller schlimmsten erwischt es diejenigen, die kaum einen anderen Zugang zu Glück kennen als durch Partnerschaft. Ich habe hier Leute, die sich eigentlich immer noch mit jemanden liiert fühlen, der sie vor vier Jahren verlassen hat. Sie können nicht loslassen, weil sie gar nicht auf die Idee kommen, dass ihr Lebensglück nicht von jemand anderem abhängt, sondern ihre eigene Verantwortung ist.

Man muss sich eigene Glücksquellen erschließen

Daher schreiben Sie auch in Ihrem Buch "Goodbye Herzschmerz", dass die Schwere des Schmerzes wenig mit der Beziehung, sondern vor allem mit einem selbst zu tun hat?

Liebeskummer ist nach einer Trennung normal. Aber ich habe mich oft gefragt, woran es liegt, dass der eine zwar leidet, aber es ihm relativ schnell wieder besser geht, während andere in einer vergleichbaren Situation an ihrem Kummer gerade zu zerbrechen. Ich habe daher unsere Kunden immer wieder gebeten, ihr "Glücksherz" zu zeichnen: ein Herz und darin anteilig groß all das, was zu ihrem persönlichen Lebensglück beiträgt, zum Beispiel Freunde, Familie, Hobbys, eine befriedigende Arbeit und natürlich auch Partnerschaft. Bei den Leuten, die den schwersten Liebeskummer hatten, war das Herz immer zu mindestens 50 bis 90 Prozent mit ‚Partnerschaft' ausgefüllt. Wenn ich mein Herz so aufbaue und mir dann der riesige Partnerschaftsanteil wegbricht, dann zerbricht das Herz völlig. Wenn man aber mehrere Glücksquellen jenseits von Partnerschaft hat, bricht zwar immer noch eine große Ecke heraus, aber das Herz als solches bleibt stabil.

Und die Kunden, denen Sie das mitteilen, sagen dann: Aha, ich soll Beziehungen also einfach nicht mehr so wichtig nehmen, na, schönen Dank auch.

Das ist tatsächlich oft die erste Reaktion: "Ach, ich soll Partnerschaft also nicht so ernst nehmen" oder "Ihr glaubt also nicht an die wahre Liebe". Aber das ist genau das Missverständnis. Denn jemand, der sein Lebensglück weitgehend abhängig von Partnerschaft macht, wird selbst nie ein guter Partner sein. Er wird immer zu einer Abhängigkeit neigen und daher mehr Zugeständnisse machen, als eigentlich für seine Beziehung gesund wären. Man muss sich daher andere, eigene Glücksquellen erschließen.

Das ist für viele Ihrer Kunden wahrscheinlich leichter gesagt als getan.

Ja, aber für viele Betroffene ist es ein Anstoß. Der geliebte Mensch ist weg, keiner kann ihn zurückholen. Aber an seiner eigenen Situation kann man etwas ändern. Und wenn man merkt, dass man Schwierigkeiten hat, sich neue Glücksquellen zu erschließen, weil man vielleicht Probleme mit Selbstliebe und dem eigenen Selbstwertgefühl hat, kann man an diesem Punkt weitermachen. Kein Therapeut der Welt wird jemanden wegschicken, der wegen Liebeskummer kommt.

Was empfehlen Sie Anrufern, die gerade erst verlassen worden sind und außer sich vor Kummer?

Ganz banal, aber wichtig: essen, trinken, schlafen. Es kommt sehr oft vor, dass hier Leute anrufen, die sagen, sie hätten drei Tage nichts mehr gegessen, und die körperliche Erschöpfung macht alles noch schlimmer. Ich rate außerdem, sich jeden Tag gezielt etwas Gutes zu tun. Und sich mit Menschen zu umgeben, denen man nicht vorspielen muss, dass es einem blendend geht, sondern denen man die ganze Wahrheit sagen kann.

Oft hört man den Rat, man solle der verflossenen Liebe einen Brief schreiben und ihn dann wegschmeißen. Sie dagegen empfehlen, den Brief tatsächlich abzuschicken. Warum?

Jeden mit Liebeskummer treibt die Frage um, ob man nicht doch noch eine Chance hat, wieder zusammenzukommen. Und nicht wenige fangen dann an zu taktieren: Sie versuchen, den Ex-Partner eifersüchtig zu machen, oder verhängen eine komplette Kontaktsperre, weil sie hoffen, dass so seine Sehnsucht wächst. Aber meine ganz praktische Erfahrung aus fünf Jahren Beratung ist: In den wenigen Fällen, wo Paare tatsächlich wieder zusammengekommen sind, lag es immer daran, dass sie ehrlich zu ihren Gefühlen gestanden haben, auch zu ihrem Schmerz. Aber ich möchte auch keine falsche Hoffnung machen. Denn vor allem hilft der Brief einem selbst, einen Abschluss zu finden und loszulassen: Ich habe jetzt noch einmal alles ausgesprochen, was mir wichtig war - mehr kann ich wirklich nicht tun.

Hat Liebeskummer auch was Gutes?

Ja, absolut! Ganz selten gibt es Phasen im Leben eines Menschen, in denen so viel Potenzial für Weiterentwicklung steckt. Verlassen zu werden ist erst einmal eine emotionale Katastrophe. Aber im Rückblick kommen viele Menschen irgendwann zu dem Schluss, dass der Liebeskummer eine so positive Entwicklung für ihr Leben in Gang gesetzt hat, dass sie dem Ex-Partner dafür fast dankbar sind.

Das klingt fast schon ein wenig zu erwachsen und reflektiert.

Ich glaube aber, dass es stimmt. Man wird durch Trennung und Liebeskummer gezwungen, sich sehr mit sich selbst, seinen Wünschen und Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Und das führt immer zu einem Reifungsprozess, den viele im Nachhinein als positiv bewerten. Ich höre das immer wieder, und ich weiß es auch aus eigener Erfahrung: Meine Trennung vor sieben Jahren war schließlich der Anstoß, mein Leben zu ändern, mich selbstständig zu machen und "Die Liebeskümmerer" zu gründen.

Sie schreiben, dass Partnerschaft heute in der Gesellschaft überbewertet werde, gar eine Ersatzreligion sei. Andere Autoren beklagen die "Generation Beziehungsunfähig", die gar nicht mehr in der Lage sei, sich zu binden.

Das eine hängt, glaube ich, mit dem anderen zusammen. Die Leute, die immer nur kurz mit jemanden zusammen sind, machen das ja vor allem, weil sie verzweifelt und permanent nach etwas suchen, was noch größer, schöner, erfüllender ist. Partnerschaft wird heutzutage zu etwas hochstilisiert, was sie gar nicht erfüllen kann. In Filmen wird immer das Bild von der einen, ganz großen Liebe hochgehalten, die ein Leben lang halten muss. Ich finde das schwierig.

Weil die die wenigsten finden?

Ich hatte gerade eine Frau in der Beratung, die vier Jahre lang eine wunderschöne Beziehung geführt hatte. Sie war noch nie so glücklich wie mit diesem Mann. Aber nun sind sie getrennt, und sie stellt jetzt im Nachhinein alles infrage: "Diese vier Jahre hätte ich mir schenken können, ich habe geglaubt, dass das meine große Liebe ist, und jetzt ist er doch weg..."Ich frage mich da: Bemisst sich eine große Liebe wirklich daran, dass sie ein Leben lang hält? Kann eine große Liebe nicht auch eine sein, die vielleicht nur sechs Monate gehalten hat, die aber unheimlich wichtig in meinem Leben war? Ich glaube nicht, dass die große Liebe zwangsläufig auf einen bestimmten Menschen beschränkt ist. Ich denke, es macht sehr bitter, wenn man das so sieht. Ich glaube, die große Liebe ist vor allem eine Fähigkeit, die wir als Menschen in uns tragen - nämlich, sie zu geben und sie zu empfangen.

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