Wie muss er eigentlich sein, der Traummann?

Wie muss er eigentlich sein, der Traummann?

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Man sollte von einem Mann nicht zu viel erwarten, aber auch nicht zu wenig. Bloß: Was ist denn jetzt ein Traummann?

Foto: Georgiev /Shutterstock

Am Wochenende sah ich mit meiner 16-jährigen Tochter die Doku-DVD "Die Bräuteschule 1958". Das ist eine Art Retro-Bootcamp, in dem moderne weibliche Teenager nacherleben müssen, wie Gleichaltrige in der Adenauerzeit für ihr Leben als Ehefrau, Hausfrau und Mutter gedrillt wurden. Damals war der Traummann einfach der spätere Ehemann, und der galt als gute Partie, wenn er nicht übermäßig trank, höflich war, einen guten Job hatte und ein Auto.

Er brauchte nichts über den weiblichen Orgasmus zu wissen oder wie man kocht, putzt, einkauft. Solange er ihr nicht vor der Verlobung an die Wäsche ging, musste er nachher auch nie welche waschen. "Humor haben", heute neben Treue und Intelligenz die von Frauen am häufigsten genannte Wunsch-Eigenschaft, wenn es um den Partner geht: kein Thema. Er musste keinen muskulösen Körper haben, keine Kosmetik außer einem Rasierwasser benutzen, und sein Haarschnitt galt auch ohne Styling als Frisur. Er musste weder über Gefühle reden noch Babys windeln oder Kleinkinder bespaßen. Sein Heim war sein Naherholungsgebiet und er, als dessen Finanzier, qua Geburt der Herrscher der Kleinfamilie. Die Gattin hatte all das zu bedienen und dabei hübsch auszusehen.

Meine Tochter war fassungslos über dieses Horrorbild der Frau. Mein 13-jähriger Sohn kam dazu und war seinerseits entsetzt über das Pech, in der heutigen Zeit zu leben: "Die hatten noch so richtig geile Männerleben! Die mussten auch NICHTS im Haushalt helfen!", brach es aus ihm heraus. Ich sagte froh: "Vergiss es! Diese Zeiten kommen nie wieder!" Und hatte plötzlich trotzdem Mitleid mit ihm. Denn mit Beginn der Pubertät braucht auch mein Sohn Rollenvorbilder in einer fragmentierten, oberflächlichen und komplexen Welt, in der die Grundsatzfrage "Wann ist ein Mann ein Mann?" schon zu einfach ist. Denn heute gilt die Maximalforderung: "Wann ist ein Mann ein Traummann?" Die Antworten darauf ändern sich schnell, die aktuellste: wenn er aussieht wie ein "Sporno" - eine Mischung aus Sport- und Pornostar. Etwa wie Matthew McConaughey als Stripper in "Magic Mike" oder Fußballer Christiano Ronaldo. Und das Ganze in Nett, Klug und Treu. Wie eine ausstellungsreife Kunstfigur auszusehen reicht nicht. Umfragen zufolge erwartet die Mehrheit der Frauen auch einen begnadeten Liebhaber; dieser sollte allerdings ein Naturtalent sein und kein erfahrener Aufreißer.

Psychologen erklären dazu, dass wir gegen unsere evolutionäre Programmierung - her mit dem Alphamännchen! - einfach nicht ankommen, aber sich mit Emanzipation und finanzieller Selbständigkeit Ansprüche dazugesellt haben, die damit inkompatibel sind: der gut aussehende, erfolgreiche, super sexy Karrieremann, der auch noch familienorientiert, total romantisch und treu ist.

"Alpha-Softie" haben Soziologen dieses widersprüchliche Modell getauft. Früher galten "multiple Persönlichkeiten" noch als schwere Psychofälle, heute sind sie Vorbild. Früher war "Traumfabrik" allerdings auch ein Synonym für Hollywoods Filmindustrie, und deren Produkte wurden als genau das und nicht mehr angesehen - unerreichbare Halbgötter in Technicolor, übergroße Gefühle, reiner Eskapismus aus der Realität.

Treffen sich zwei Narzissten

Heute dagegen soll am liebsten der gesamte Beziehungsalltag eine Traumfabrik sein, und deren Darsteller sind gewünschter Standard an den globalen Partnerbörsen. Die ganze Wirtschaft funktioniert wohl nur noch halbwegs, weil Frauen alles kaufen (Kosmetik, Mode, Schönheits-OPs), was hilft, als "Traumfrau" für die Männer zu gelten, die mittlerweile fast genauso viel konsumieren (Kosmetik, Fitness, teure Technik, Autos), um ihnen ein entsprechender "Traummann" zu sein. Treffen tun sich beide Geschlechter dann im Internet, Fitness- oder Waxing-Studio. Und zwar nicht mehr als Menschen, die sich ineinander verlieben, ohne es begründen zu können. Sondern als mit Mühe und Zeit perfektionierte Optimierer, die als Grundlage für ein Date erst mal eine lange Liste mit Eigenschaften abfragen und deren liebesbedürftige Seelen unglaublich schnell zornig und verletzt sind, wenn sie das Gefühl haben, mehr in ihren Selbstwert investiert zu haben als der potenzielle Partner.

Etliche Bücher wie "Die narzisstische Gesellschaft" haben bereits davor gewarnt, dass narzisstische Persönlichkeitsstörungen immer weiter zunehmen, weil die Wirtschaft die damit verbundenen rücksichtslosen Attribute begünstigt. Dieses Phänomen wird zunehmend visualisiert in unsicheren Kerlen, die alles in die Beziehung zu der einzigen großen Liebe investieren, die nie enttäuscht von ihnen ist: sie selbst. Das erklärt auch, wieso einem beim Joggen in der Stadt immer öfter Männer in knappen Höschen und mit nacktem Oberkörper entgegenkommen, wobei "definierter Oberkörper" offensichtlich auch eine Definitionsfrage ist.

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