Warum uns Misstrauen in der Partnerschaft weiterbringt

Warum uns Misstrauen in der Partnerschaft weiterbringt

via

Misstrauen in der Partnerschaft fühlt sich für beide Partner ungemütlich an. Es hat aber durchaus seinen Sinn.

Foto: Markus Moellenberg/Corbis

Vertrauen ist der Boden, der nötig ist, damit Liebe wachsen kann

Hey, wir hatten doch eine wirklich gute Zeit in den letzten Wochen. Wir haben ganz viel gemeinsam unternommen, am Wochenende waren wir zusammen in einem Hotel am Meer. Wir hatten es wirklich schön zusammen", sagt Karla und schaut zu Liese. Die zuckt ganz leicht mit den Schultern, schaut kurz zur Seite. "Ja, es war wirklich schön am Meer", sagt sie. Sie schweigen. Ein beredtes Schweigen. Denn wenn sie wirklich aussprechen würden, worum es in ihrem Dialog geht, dann klänge er so:

Karla: "Bitte vertrau mir wieder!"

Liese: "Das kann ich nicht. Ich bin verletzt und misstrauisch."

Vertrauen ist der Boden, der nötig ist, damit Liebe wachsen kann. Vertrauen bedeutet: Ich kann mich darauf verlassen, dass du für mich da bist und auch bleiben wirst; dass du nichts tun wirst, was unsere Liebe zerstört. Wir möchten einander am liebsten zu hundert Prozent vertrauen können, um uns ganz sicher zu fühlen.

Blindes Vertrauen ist in keiner Phase einer Liebe eine gute Idee

Und weil wir es uns so sehr wünschen, tun wir häufig einfach so, als wäre das wahrhaftig möglich. Wir vertrauen einander blind. Räumen alle Zweifel beiseite und schaffen damit die Illusion völliger Sicherheit. Wir umgeben uns mit dem kuscheligen Gefühl blinden Vertrauens in den anderen. Aber in Wahrheit schützen wir uns nur vor unserer Angst, den anderen verlieren zu können. Doch irgendwann kommt der Moment, in dem diese Illusion zerplatzt. So wie bei Liese und Karla. Auf einer ihrer vielen Geschäftsreisen hatte sich Karla verliebt. Angeblich war, wie es so schön heißt, "nichts passiert". Abgesehen davon, dass Lieses Welt zusammenbrach.

Misstrauisch ist nur, wer den Wunsch hat, vertrauen zu können

Foto: Ilona Habben

Liese voller Schmerz und Wut, verschloss sich gegenüber Karla. Sie war sich plötzlich unsicher, ob sie die Beziehung fortsetzen wollte. Karla, die das spürte, versuchte alles, um Liese ihre Liebe zu beweisen. sie flehte und fluchte, dass Liese ihr doch wieder vertrauen solle. Doch so sehr sie sich auch bemühte - Liese blieb misstrauisch.

Und Liese hat Recht. Nicht in dem Sinne, dass Karla nicht zu trauen sei. Sondern weil Liese ihr eigenes Misstrauen braucht, um irgendwann wieder vertrauen zu können. Sie muss ihr Gefühl für die Partnerschaft wiederfinden. Ihr Misstrauen gibt ihr die Möglichkeit, mit dem Partner im Kontakt zu bleiben und sich nicht ganz von Karla zurückziehen zu müssen. Denn: Mit einem misstrauischen Blick kann ich den anderen distanziert betrachten.

Vertrauen kann wieder wachsen. Für den Partner bedeutet es wiederum, dieses Misstrauen aushalten zu können. Was paradoxerweise auch ein Vertrauensbeweis ist: "Ich vertraue dir, dass du mir wieder vertrauen möchtest." Die Chancen stehen gut. Denn misstrauisch ist ja nur, wer den Wunsch hat, vertrauen zu können.

Blindes Vertrauen ist in keiner Phase einer Liebe eine gute Idee, auch wenn unsere Gefühle dahindrängen. Ein sehendes Vertrauen ist besser. Wie oft fällt Partnern nach einem Vertrauensbruch auf, dass sie die Anzeichen schon lange bemerkt, sie aber ignoriert haben, um die schöne Illusion des blinden Vertrauens nicht verlassen zu müssen. Misstrauen ist ein Freund, der uns zum Vertrauen führen will.

Zum Kommentieren anmelden

Follow us on