Warum Berührungen so wichtig für die Beziehung sind

Warum Berührungen so wichtig für die Beziehung sind

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Wir brauchen Berührung - und nicht nur sexuelle. Eine bewusste, einfühlsame Berührung lässt uns intensiv spüren, dass wir geschätzt und wahrgenommen werden.

Foto: CHAINFOTO24/shutterstock

Das Ehepaar G. findet keinen Anfang. Was nicht bedeutet, dass sie nicht sofort beginnen, ihr Problem zu schildern. Dieses Problem ist: Sie fänden keinen Anfang, um sich besser miteinander zu fühlen. Irgendwie habe sich die Nähe aus ihrer Beziehung geschlichen. Sie verbrächten zwar noch immer viel Zeit gemeinsam, weil sie beide Konzerte, Yoga und Fahrradtouren lieben. Sie seien gerne miteinander. Aber so richtig nah fühlten sie sich nicht mehr. Jeder sei "irgendwie" mehr für sich. "Sexualität? Wie steht es um Ihre Sexualität?", frage ich. - "Selten", sagt er. "Gar nicht!", sagt sie und outet sich damit als die größere Realistin und diejenige, die mehr fordert in der Beziehung.

Sie erzählen mir die Entwicklung und den aktuellen Stand ihrer Beziehung. Am Ende der Sitzung fordere ich sie zu einer einfachen Übung auf: Ich bitte sie, sich hinzustellen und in den Arm zu nehmen. Sich aneinander anlehnen, ohne den eigenen Stand zu verlieren und dann für einige Zeit - zwei, drei Minuten oder, wenn sie möchten, auch länger - schweigend zu spüren. In den eigenen Körper hineinfühlen und zum Körper des Partners hinfühlen. Einander wortlos halten und bewusst die Achtsamkeit nur auf dieses körperliche Erleben lenken.

"Für die nächsten zwei Wochen, bitte zweimal täglich. An den geraden Tagen ist Herr G. für die Einnahme der Medizin verantwortlich, Frau G. an den ungeraden. Können Sie sich das vorstellen?" Sie nicken: "Vorstellen schon ..."

Eine sexuelle Berührung fordert, eine einfühlsame lässt uns spüren, dass wir angenommen werden

Es ist eine triviale Beobachtung, aber das macht sie nicht weniger wertvoll: Die Menschen, die uns wichtig sind, sind die Menschen, die wir berühren. Unsere Kinder, unsere Liebespartner, unsere guten Freunde, unsere Eltern - falls nicht ungeklärte Konflikte oder Berührungsängste es verhindern. Und auch entferntere Freunde bekommen wenigstens noch ein paar ritualisierte Sympathieklopfer auf den Rücken oder zwei gehauchte Küsse links und rechts. Bei Kindern wissen wir instinktiv, dass es so viel beruhigender wirkt als Worte, wenn wir ihre Hand halten oder sie in den Arm nehmen. Und die Hände frisch Verliebter sind ständig am Körper des anderen, als fließe die Beziehung ständig durch sie hindurch. Wir brauchen Berührung - und nicht nur sexuelle. Die ist in Krisen oft schwierig, sogar fast bedrohlich, weil sie fordert. Aber eine bewusste, einfühlsame Berührung lässt uns intensiv spüren, dass wir geschätzt und wahrgenommen werden. Wenn wir berührt werden, dann berührt das nicht nur unsere Haut, es berührt unsere Seele.

Foto: Ilona Habben

Das Ehepaar G. hat die Übung durchgehalten. Sie tun sich zwar immer noch etwas schwer mit ihrem Sex. Aber ihre innere Distanz haben sie aufgelöst. Es ist kein Zufall, dass wir für körperliche wie für psychische Berührung das gleiche Wort verwenden. Untersuchungen zeigen, dass eine Nackenmassage durch den Partner entstressender wirkt als ein ausführliches Gespräch. Und dass sich glückliche Paare schlichtweg viel öfter berühren als unglücklich distanzierte. Ach, wir wissen das doch alles. Wir haben es im wortwörtlichen Sinn in der Hand. Nur wir nutzen es nicht. Berühren berührt.

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